Die große Wut des Christoph Martin Wieland
Christoph Martin Wieland - ist das nicht der ausgediente Rokoko-Romancier, der gemütliche Papa Wieland, der sich im Musenzirkel Anna Amalias schon mal ein Nickerchen erlauben durfte und dessen “schlüpfrige” Werke den Stürmern und Drängern die Zornesröte ins Gesicht trieben? - Zugestanden!
Aber es gibt auch den anderen Wieland: den erfolgreichen Publizisten und Aufklärer von europäischem Format, den sensiblen, reizbaren, unglaublich produktiven Künstler, der an sich, Weimar und der Welt litt. Dieser lebenswirkliche Wieland steht im Mittelpunkt dieser Novelle, die zugleich eine lebendige Zeitreise in das Weimar des Jahres 1779 darstellt.
Dabei hat der Autor weniger erfunden - er hat in den Quellen vor allem gefunden. Viele der hier geschilderten Begebenheiten, Alltäglichkeiten und Skandale haben sich tatsächlich ereignet. Und so werden die Leserinnen und Leser auch dem einen oder anderen Prominenten wiederbegegnen, ohne den Wielands Weimar gar nicht zu erzählen ist. Zum Beispiel den Geheimen Legationsrat Dr. Johann Wolfgang Goethe.
Rezension in der FAZ v. 16. Juni 2008 #
Keinohrmuse #
In Thomas Starnes’ großer Wieland-Chronik findet sich unter dem Datum 22. Juni 1779 eine Anekdote verzeichnet, die Karl Wilhelm Böttiger 1853 in Cottas “Monatsblatt” brachte: Der Dichter hatte an diesem Tag sein geliebtes spanisches Rohr mit goldenem Knopf und schwarzseidener Quaste verloren, den Verlust dann öffentlich angezeigt und einen Kaufmann des Diebstahls verdächtigt, der sich durch eine Injurienklage zur Wehr setzte. Diese kleine Begebenheit verwandelt Hans-Jürgen Perrey in eine unerhörte, indem er sie zum Zentrum einer historischen Novelle macht. Zwar ist es etwas plump, Wieland das Verschwinden des Stockes ausgerechnet in dem Augenblick bemerken zu lassen, als seine Frau, siebenfache Mutter und erneut schwanger, ihm gerade “routiniert die Knöpfe seines Beinkleides öffnet”. Sonst ist das aber ein hübsch und kurzweilig erzählte Geschichte, lebendig durch Dialoge und Perspektivenwechsel, reich an Tratsch und Lokalkolorit aus dem “elenden Nest Weimar”. Er, also der neunundzwanzigjährige Goethe, tritt lediglich indirekt in Erscheinung. Nicht nur der fünfundvierzigjährig Wieland beneidet ihn und macht aus seiner Abneigung keinen Hehl. Die Kleinstadtverhältnisse und die Arbeit am “Oberon” kommen schön zum Ausdruck, allerdings ohne jene spitze Ironie, die Perreys offenkundiges Vorbild, Thomas Manns “Lotte in Weimar”, auszeichnet. (Hans-Jürgen Perrey: “Die große Wut des Christoph Martin Wieland”. Novelle. Gollenstein Verlag, Merzig 2008. 184 S., geb., 16,90 [Euro].)
Weitere Rezensionen #
Hamburger Abendblatt (Ahrensburger Zeitung) vom 16.5.2008 #
AZ_16.5.2008_3.pdf
Landshuter Zeitung vom 2.8.2008 #
Landshuter_Zeitung_150.pdf